Tech 4 Best Agers – UCD Methoden 

Mai 31, 2021

UCD Methoden speziell für ältere Menschen

In Teil 1 und Teil 2 der dreiteiligen Blogserie haben wir uns mit den Grundlagen für user*innenzentriertes Design, sowie Konzepten zum Definieren und Kennenlernen von älteren Zielgruppen befasst. In Teil 3 stellen wir nun einige konkrete Methoden vor, die wir im Rahmen eines Projektes gemeinsam mit älteren Menschen und Unternehmen, die ihre Produkte, Dienstleistungen und Technologien an die Bedürfnisse ältererer Menschen anpassen wollen, entwickelt bzw. weiterentwickelt haben. Diese sollen konkrete Anstöße geben, um Produkte zielgruppengerecht zu entwickeln und zu verbessern und können flexibel auf unterschiedliche Technologien und Anwendungen angepasst werden. Wir arbeiten mit diesem Methoden selbst in einem eigens dafür entwickelten Modell, welches je nach Methode, Branche und sogenannten Anforderungspersonas jeweils das optimale Methodenpaket liefert.

Grundsätzlich lassen sich die user*innen-zentrierten Design-Methoden in Beobachtungsmethoden, Befragungsmethoden und Tests & Experimente einteilen. In unserer Beratungspraxis kommen Beobachtungs- und Befragungsmethoden am Häufigsten vor, in Forschungs- oder forschungsnahen Projekten werden häufiger (streng formale) Tests & Experimente eingesetzt. Die Methoden sind grundsätzlich für jede Unternehmens-Branche geeignet, speziell getestet wurden sie für Anwendungen im Bereich Finanz- und Versicherungsmanagement, Mobilität, Bewegungsförderung sowie für Games und Entertainment. Kriterien, die zur Einteilung der Personen – welche entweder beobachtet, befragt oder getestet werden, sind Alter, Technologienutzung, und der Bereitschaft zur Teilnahme an Aktivitäten im Rahmen der Produktentwicklung.

Teil 3: User*innen-zentrierte Entwicklung für ältere Menschen

Dieses Projekt wurde durch die FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft) im Programm Impact Innovation unter dem Titel “UCD 4 Older People” (Nr. 879774) gefördert.

Eine der nützlichsten Methoden ist die sog. Experience Sampling Method (ESM). Beim Experience-Sampling wird den zu befragenden Personen ein Koffer mitgegeben, welcher folgende Komponenten enthält:

Eine Wegwerfkamera zur Dokumentation der Interaktion, z.B. einer neuen Applikation: Personen werden gebeten, bei der Benutzung eine “Momentaufnahme” zu erstellen um festzuhalten, wo sie sich befinden (Ort der Interaktion), was in der Umgebung ist (Kontext der Interaktion) und wer noch anwesend ist (soziale Komponente der Interaktion).

Ein Tagebuch zum Festhalten von Stimmungen und Meinungen, sowie Erlebnissen mit der Technologie. In dem Tagebuch werden auch anhand standardisierter Skalen Fragen zur Gebrauchstauglichkeit gestellt, z.B. sollen die Personen auf einer quantitativen Rating-Skala  (von “sehr leicht” bis “sehr schwer”) einschätzen wie einfach die Bedienung der App war, wobei Abstufungen eine granuläre Antwort ermöglichen.

Abbildung des maßgeschneiderten Templates für eine Tagebuchstudie bzw. das Experience Sampling als Methode.

rapid user feedback bietet eigene – speziell auf ältere Personen angepasste – Vorlagen für Experience Sampling als auch Tagebücher zur Evaluierung von Produkt-Interaktionen. Es gibt jedoch auch kommerzielle Anbieter*innen für diese Methode (LifeData, PIEL Survey, AWARE, Murmuras), wobei diese in Preisen, Datenschutz und Flexibilität schwanken und nicht für den Einsatz mit älteren Personen optimiert wurden. Experience Sampling kann sowohl vollständig analog, als auch digital durchgeführt werden, je nach spezifischen Kriterien der Zielgruppe.

Gefühle sind in der Produktentwicklung ein entscheidender aber oftmals vernachlässigter Faktor, der auch gerade für ältere Menschen relevant ist: Zur Evaluierung von Gefühlen in der Interaktion mit digitalen Produkten haben wir eigens eine Methode angepasst, das Geneva Emotion Wheel (GEW, Scherer, 2005; Sacharin, Schlegel, & Scherer, 2012).

Abbildung des maßgeschneiderten Geneva Emotion Wheels, einsetzbar als Brettspiel.

Dieses kann jetzt als eine Art „Brettspiel der Emotionen“ im Rahmen von Interviews, Workshops oder sog. Fokusgruppen eingesetzt werden. Es ermöglicht Personen, ihre Gefühle bzw. Emotionale Reaktionen während und nach der Benutzung einer Applikation oder Technologie zu bestimmen. Ziel ist es, ein “Stimmungsbild” von Technologien bzw. einzelnen Interaktionen zu erhalten, um dann gezielt die Interaktionen bzw. die gesamte Technologie zu verbessern. Die Methode kann jeweils in Einzel- oder in Gruppensettings eingesetzt werden, wobei im Rahmen von Workshops aus dem Geneva Emotion Wheel ein Brettspiel gemacht werden kann, was die Interaktivität erhöht und die Qualität der gewonnenen Insights verbessert: User*innen bewegen hierbei eine zuvor selbst ausgesuchte Spielfigur auf dem Spielbrett zu einem von 20 Emotionsbereichen und stellen die Figur auf eine der 6 Intensitätsstufen. Dieser Ansatz ist an das bekannte Gesellschaftsspiel “Mensch ärgere Dich nicht” angelehnt.

Das Product Emotion Measurement Instrument (PrEmo, Desmet, 2004; Desmet & Laurans, 2017) ist eine weitere Methode zur Bestimmung von emotionalen Zuständen und emotionalen Reaktionen auf (neue) Produkte, Dienstleistungen und Technologien, die von uns speziell auf die Zielgruppe älterer Personen angepasst wurde. Hierbei bekommen die Personen neben der zu testenden Anwendung Emotionskarten, die sie zur Beschreibung ihrer UX benutzen. Der große Vorteil dieser Methode liegt in der visuellen Darstellung von möglichen Reaktionen. Praxistests haben uns gezeigt, dass diese Methode gut von älteren Menschen angenommen wird. Allerdings hatten viele ältere Menschen Probleme die Emotionen – dargestellt als (animierbare) Zeichentrickfiguren – richtig zu deuten. Unsere Anpassung hat dieses Problem gelöst, in dem die Emotionskarten um schriftliche Emotionsbezeichnungen ergänzt wurden. Diese wiederum helfen für ein tiefes Verständnis der möglichen Barrieren mit Anwendungen und Technologien, und dabei diese Barrieren zu reduzieren.

rapid user feedback hat neben diesen Methoden noch eine Reihe weiterer Methoden, die speziell für die Anwendung im user*innenzentrierten Design-Prozess mit älteren Menschen optimiert wurden. Alle vorgeschlagenen Anpassungen und Erweiterungen sind in einer Ergebnis-Dokumentation ausführlich beschrieben (als Hintergrund und zur Vorbereitung auf die Durchführung) sowie auf 10 Methodenkarten, für einen kompakten Überblick und zur Kommunikation mit Kund*innen und Projekt-Stakeholder*innen, zusammengefasst.

Um mehr über die Methoden und Hintergründe zu erfahren, abonnieren Sie einfach unsere Social Media Seiten (LinkedIn, Facebook) und bleiben Sie auf dem Laufenden.

Abbildung der Tech 4 Best Agers Methodenkarten im kompakten A5 Format.

Wenn Sie Näheres zu den Methoden erfahren möchten oder sich für die Anwendung interessieren, kontaktieren Sie einfach Herrn Marco della Schiava (marco.dellaschiava@user-feedback.at). 

Scherer, K. R. (2005). What are emotions? And how can they be measured? Social Science Information, 44(4), 695–729.

Desmet, P. (2004). Measuring emotion: Development and application of an instrument to Measure Emotional Responses to Products. Human-Computer Interaction Series, 3, 111–123.

Desmet, P., & Laurans, G. (2017). Developing 14 animated characters for non-verbal self-report of categorical emotions. J. of Design Research, 15, 214.

Sacharin, V., Schlegel, K., & Scherer, K. R. (2012). GEW Report August 13 2012. 13.

Hier können Sie sich ein unverbindliches Angebot für User Research mit der Zielgruppe der Best Agers einholen: